Freitag, 26. September 2014

"Erneuerung der Erinnerung" - Eine Installation zum Augustaschacht in Osnabrück

 

Am nördlichen Eingang zur Hüggelschlucht direkt an der Stadtgrenze zu Georgsmarienhütte-Holzhausen liegt das Gebäude des Augustaschachtes, welches 1876 erbaut wurde. Es gilt als eines der bedeutendsten bergbaulichen Denkmäler des Osnabrücker Landes.
Bei dem Augustaschacht handelt es sich um ein vierstöckiges Gebäude mit beeindruckender Rundbogenarchitektur, das anfangs nur die bauliche Hülle um eine große, dampfbetriebe Pumpe war, welche die Erzgruben des Hüggels entwässerte.
Gewichtiger ist jedoch die Erinnerung an die Zeit, in der das Gebäude von den Nationalsozialisten als Straflager genutzt wurde.
Zunächst nutzte die Wehrmacht das Gebäude als Kriegsgefangenenlager von 1940-43. Im Sommer 1940 kamen die ersten 330 Franzosen ins Osnabrücker Land. Sie mussten an der Nordseite des Hüggels Barackenlager errichten und ebenso wie die ab 1942 untergebrachten Zwangsarbeiter als Arbeitskräfte im Hüttenwerk dienen.
Im Januar 1944 baute die Gestapo den Augustaschacht dann zu einem Straflager um, einem sogenannten „Arbeitserziehungslager“ für flüchtige Zwangsarbeiter, „Arbeitsbummler“ und andere sich dem Regime Widersetzende. Inhaftiert waren des Weiteren sog. „jüdisch Versippte“ oder „Halbjuden“, Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten und vermutlich auch Zeugen Jehovas.
Das Arbeitserziehungslager bestand rund 15 Monate bis Kriegsende und wurde insgesamt von rund 2000 Jugendlichen  und Männern aus 17 Nationen durchlaufen, die durchschnittlich acht Wochen und mitunter auch deutlich länger einsaßen.
Mindestens 100 Häftlinge überlebten die unmenschlichen Arbeits- und Haftbedingungen im Arbeitserziehungslager Ohrbeck nicht, sodass es in der Geschichtsschreibung auch als „KZ der Gestapo“ bezeichnet wird.

Seit 2008 ist der Augustaschacht eine offizielle Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus und wird durch Ehrenamtliche und Spenden unterhalten.

Für die Ausstellung „Erneuerung der Erinnerung“ im Spätsommer 2004 fertige Volker-Johannes Trieb zur Erinnerung an die Geschehnisse während des Nationalsozialismus in Osnabrück die „Installation für den Augustaschacht“ an.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Volker-Johannes_
Trieb#mediaviewer/File:Volker-Johannes_Trieb.jpg
Volker-Johannes Trieb, der 1966 in Worms geboren ist, ist ein deutscher Künstler und Keramiker. 1987 rief er sein erstes eigenes Atelier  in Osnabrück-Sutthausen ins Leben. Sein Atelier, Büro und Galerie liegen alle zusammen in der früheren Scheune. Sein Haus und  seinen Garten baute er zu einem Gesamtkunstwerk aus. Sein zweites Atelier eröffnete er 1995 in Georgsmarienhütte, wo eher die  Keramik und Stahl Objekte geschaffen werden.
Seine Projekte sind, wie dieses hier, im öffentlichen Raum (vor allem im Osnabrücker Raum) zu sehen.

Bei der „Installation für den Augustaschacht“ handelt es sich um mehrere verbrannte Baumstämme, die in heißes Kupfer getaucht und einmal rund um den Augustaschacht angebracht wurden. Die Baumstämme verlaufen ziemlich gerade, sind ca. sechs bis acht Meter hoch und ragen bis in den zweiten Stock.
Die Verbrennungen der einzelnen Bäume sind
„nur" oberflächlich. Durch die Risse, die die Bäume langsam bekommen haben, ist zu sehen, dass das Innenleben nicht verbrannt ist. Zudem sind die einzelnen Baumstämme von Moos überzogen.


 
Gemeinsam mit unserem Seminar „Erinnern und Vergessen“ der Universität Osnabrück unter der Leitung von Ruppe Koselleck machten wir eine Exkursion zum Augustaschacht, um uns näher mit der Installation auseinanderzusetzen.
Die Interpretationen dieses Denkmals, die im Folgenden in Ansätzen erläutert werden, stammen von uns selbst aus dem Entstehungskontext, da keine kunsthistorischen Dokumente über die Installation vorhanden sind.
Auseinandersetzung mit der Installation
Um die Interpretation gemeinsam mit unserem Kurs erarbeiten zu können, sollten sich unsere Kommilitonen genauer mit dem Denkmal beschäftigen, um sich so ein besseres Bild machen zu können.
Um einen vereinfachten Zugang zu dem Denkmal zu bekommen, stellten wir unseren Kommilitonen die Aufgabe, das Denkmal schnell und einfach abzuskizzieren und dann intuitiv das zu malen, was sie mit den gerade vorgestellten Baumstämmen assoziierten.
Dabei ließen wir ihnen einen großen Freiraum: das Bild könnte expressionistisch, schwarz-weiß etc. sein, man könnte auch Sachen dazu erfinden, umgestalten, es war alles erlaubt.


Wir sind schlussendlich nach 15 Minuten hinter dem Gebäude wieder zusammengekommen. Die Skizzen wurden in der Mitte der Gruppe gesammelt und erstmal in Ruhe von jedem begutachtet.
 Beeindruckt waren wir von der Vielfalt der Ansätze. Einige interpretierten lodernde Flammen in die Baumstämme.
Skizze vom Gebäude und der Installation
Eine Mauer aus Feuer, die nicht nur den Betrachter von außen abzuschrecken schien, sondern auch die Insassen innerhalb der Mauer symbolisch in sich gefangen nahm. Als der Augustaschacht noch als Arbeitserziehungslager genutzt wurde, gab es für die Insassen keinen Schutz vor Bombenangriffen, keinen Bunker, der das Überleben gesichert hätte. Die Installation von Volker-Johannes Trieb könnte somit darauf hindeuten, dass die 2000 Jugendlichen und Männer zusätzlich zum Alltag im Lager unmittelbar Feuer und Zerstörung ausgesetzt waren. 
Ein weiterer Interpretationsansatz ging dorthin, dass die Stämme als Gitterstäbe um das Gebäude gesehen wurden. Auch das schien sehr naheliegend, denn die Inhaftierten wurden wie in einem Gefängnis weggesperrt und nicht nur ihrer Freiheit sondern zum Teil auch ihres Lebens beraubt.  
Ein wieder anderer Ansatz galt den entwurzelten Bäumen. Dieser Zusammenhang ergab sich, da die Häftlinge aus ihrem natürlichen Umfeld gerissen wurden, als wäre ihnen, wie den Bäumen hier, die Bodenhaftung genommen worden. Die Entwurzelung der Bäume deutet auf die soziale „Entwurzelung“ der Opfer, die nach der Deportation alles verloren haben. Mit dem Fällen der Bäume geht auch die Unterbrechung zur Lebensquelle einher, was wir als besonderen Verweis auf die über hundert Verstorbenen im Arbeitserziehungslager Ohrbeck verstanden sehen. 
Abstrakte Skizze der Installation,
freie Auseinandersetzung
Weitergehend sind die zudem verbrannten Baumstämme auch als „verbrannte“ Seelen und Körper der Leidtragenden zu erkennen. Dies lies sich ebenfalls bei den Skizzen
wiederfinden.
Der Abschluss des Referats beinhaltete die Auflösung des offiziellen Gedanken vom Künstler Volker-Johannes Trieb.
Das damals noch betitelte Stahlwerk „Klöckner“ war einer der Profiteure des
Gestapo-Arbeitserziehungslagers Ohrbeck. Die Häftlinge wurden unter anderem an dieser Stelle zur Zwangsarbeit gezwungen. Auch die Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerke, die heute KME Germany AG & Co. KG heißen, gehörten dazu. Diese Firma finanzierte das Kunstwerk von Trieb und ließ die Baumstämme auf Kosten der Firma verkupfern. Eine „Erneuerung der Erinnerung“. 




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